Vereinsgeschichte 1867 - 1950

von Hans-Joachim Schumacher (2004)

§ 1 Der Littfelder Schützenverein hat sich außer dem geselligen Vergnügen die Übung im Schießen aus Büchsen zur Aufgabe gestellt... Also entworfen und genehmigt im Juli 1867 - E. Siebel

1867

wurden bei der Vereinsgründung also schon die Vereinszwecke festgelegt, die auch heute noch das Vereinsleben bestimmen, nämlich Sportschießen und Geselligkeit.
Diese beiden Aufgaben gehören geradezu symbiotisch zusammen. Jeder Schütze weiß, dass nur unter Anspannung alle physischen und psychischen Kräfte ein gutes Ergebnis erreicht werden kann. Diese Anspannung wird in geselliger Runde wieder abgebaut und gibt wieder Motivation und Kraft zu neuen Taten.
Wie hat sich nun der von 20 Gründern ins Leben gerufenen erste und damit zugleich älteste Littfelder Verein in Verfolgung seiner beiden selbst gesteckten Ziele allen Widrigkeiten zum Trotz ständig weiter entwickelt?
Zur Gründungszeit bestand das Dorf aus etwa 135 Häusern und in seiner Umgebung befanden sich 3 große und mehrere kleine Erzgruben, aus denen hauptsächlich Eisen, Kupfer, Blei und Zink gefördert wurden. Littfeld war also damals hauptsächlich ein Bergmannsdorf mit etwa 900 Einwohnern.

1869

Am 17.02.1869 entschied der Gemeinderat:
- „wurde auf den Antrag des Vorstandes des hiesigen Schützenvereins wegen Überlassung eines Schützenplatzes beschlossen, dass demselben der Platz an der sg. obersten Tannen...als Erbpacht abgegeben werden solle.“-
Der Verein hatte also schon nach 2 Jahren einen Schießplatz zur Verfügung, der sich im Winkel zwischen dem östlichen Ralsbach und dem Waldrand befand. Vermutlich kommt daher die Bezeichnung „Dännepierter“ für die Littfelder Schützen.

 

Am 20.06.1869 feierte man im Garten der Gastwirtschaft Kolb, jetzt Hubertus, das jährliche Schützenfest (im Bild oben rechts) Im Garten der Gastwirtschaft Kolb stand eine überdachte Kegelbahn und, davon durch eine Zwischenwand getrennt, eine große überdachte Terrasse. Ein guter Platz für Schützenfeste.

Die Generalversammlungen wurden dagegen in der Gastwirtschaft Eckenbach, jetzt Dittmann, abgehalten. Jacob Eckenbach war damals Schützenhauptmann.

1872 -1898

Aus dieser Zeit sind keine Vereinsdokumente mehr vorhanden. Alle möglichen Gründe für das Fehlen sind spekulativ und nach den heutigen Wissensstand nicht mehr zu verifizieren. Fest steht aber, dass sich im 19. Jahrhundert die Littfelder Bevölkerung auf über 1000 mehr als verdoppelte und die Erzförderung mehr als verhundertfachte. Gleichwohl war eine relative Armut zu verzeichnen, denn unter den Bergleuten grassierte die Bergkatze (Staublunge) und der bescheidene Verdienst reichte für die damaligen Großfamilien mit vielen Kindern kaum aus. Deshalb dürfte es manchem Schützenbruder schwer gefallen sein, seine Vereinsbeiträge zu entrichten. Dieser Umstand blieb der Dorfbevölkerung natürlich nicht verborgen und die Bezeichnung „arme Brüder“ für die Schützen war geboren.

1899 - 1913

n dieser Zeit wurde der Verein nacheinander von den Vorsitzenden Johannes Hamburger, Heinrich Benner, Ernst Fick und Heinrich Pötz geführt. In diesem Zeitraum löst sich ein Vereinsrätsel, es entsteht aber auch ein neues.
Hat der Verein zwischen 1872 und 1898 überhaupt bestanden? Ja!
Die Bejahung kann man an der Person des Schützenbruders Ewald Kolb festmachen. Er wurde in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts zum Ehrenmitglied ernannt. Ehrenmitglied wird man aber nur nach einer langjährigen, verdienstvollen Mitgliedschaft.
Beide Bedingungen erfüllte er.1854 geboren, konnte er nach den Statuten von 1867 als 18-Jähriger 1872 die Mitgliedschaft erwerben.
Die seit 1869 in seiner Gast- und Gartenwirtschaft stattfindenden Schützenfeste konnte er tatkräftig unterstützen und vor allem sorgte er für einen ortsnahen Schießstand, in dem man von seinem überdachten Teil der Gartenterrasse aus in Richtung Burberg hochschießen konnte. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte er sich also schon langjährig um den seit 1867 bestehenden Verein verdient gemacht.
Warum erhielt 1906 die erste Vereinsfahne u.a. die Inschrift „Littfelder Schützenverein 1900 e.V.“?
Vermutlich hat man die Möglichkeit überbewertet, dass nach Inkrafttreten des BGB am 01.01.1900 ein Verein durch Eintragung in das neue Vereinsregister eine eigenständige Rechtspersönlichkeit werden konnte. Jedenfalls hat man damals damit das eigentliche Gründungsjahr 1867 verschüttet und immer mehr im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten lassen.
Wie stand es damals um die Vereinsziele Sport und Geselligkeit?
Bis 1910 wurde ausschließlich aus Großkaliberwaffen geschossen. Die Patronen mussten selbst aus Geschosshülsen, Schießpulver und Kugeln hergestellt werden.
Ab 1910 schaffte man zunehmend Zimmerstutzen und Luftgewehre an.
Besonders mit den Müsener Schützen wurden Vergleichsschießen ausgetragen. Die Littfelder und Müsener Schützenvereine entstanden fast gleichzeitig (Littfeld 1867, Müsen 1868) und beide in benachbarten Bergmannsdörfern. Die freundschaftlichen Beziehungen entwickelten sich von Anfang an bis heute störungsfrei und ohne Unterbrechung. Innerhalb des Vereines wurden im Laufe des Jahres nacheinander Eier-, Vogel- und Sternschießen durchgeführt. Noch heute ein Programm.
Zur Pflege der Geselligkeit wurden Schützenfeste, Familienfeiern, Theaterspiele, Winterbälle und Weihnachtsfeiern geboten. Warum war das damals alles möglich?
1. Überschaubare Dorfgemeinschaft (1000 Einwohner) – keine „atomisierte Gesellschaft“
2. Eingeschränkte Mobilität – keine Autos, keine großen Urlaubsreisen
3. Erlebnishunger – kein Heimkino = Fernsehen
Die Veranstaltungen konnten mit guter Resonanz durchgeführt werden, obwohl viele Schützen immer noch arm waren. Der Jahresbeitrag 1911 wurde ihnen erlassen.

1914 - 1918

In der Zeit des 1. Weltkrieges wurden keine Wahlen durchgeführt und keine Feste gefeiert. Die in den kaiserlichen Streitkräften dienenden Schützenbrüder aber vergaß man nicht, man schickte ihnen Pakete an die Front.

1919 - 1932

In der ersten Nachkriegsversammlung am 23.03.1919 gedachte man der gefallenen Schützenkameraden und wählte einen neuen Vorstand. Der Verein wurde in der „Weimarer Zeit“ vom 1. Vorsitzenden Albert Katz geführt. Vom 1. Nachkriegsschützenfest 1922 ist auch zugleich das 1. Königsbild mit Hofstaat der Vereinsgeschichte vorhanden.

 

Königsbild 1922

SM König Erich Müller und IM Königin Mathilde Groos mit Hofstaat im Garten der ehemaligen Gaststätte Kolb

Heutzutage liest man in den Schützenfestberichten der Zeitungen immer wieder die Überschriften „König X regiert die Schützen in Y“ u.ä.
Das ist nichts anderes als irreführender, journalistischer Unsinn, der im Interesse des oft missverstandenen Schützenwesens zurechtgerückt werden muss. Der Schützenkönig hat in einem vielköpfigen Vorstand nur eine Stimme und das auch nur für ein Jahr.
Die Kontinuität im Verein wird vor allem durch mehrjährig tätige Vorstandsmitglieder und oft jahrzehntelang aktive Sportschützen gewährleistet.

Das Königsbild mit Hofstaat aus dem Jahre 1925 hat tiefgreifende Bedeutung.Der Schützenkönig Wilhelm Sänger hatte sich mit Eva Marx eine jüdische Königin erkoren.
Ebenfalls im Hofstaat war der langjährige, jüdische Schützenbruder Rafael Meier mit Frau -2. Reihe von unten ganz rechts-

Hier wird eindeutig sichtbar, dass die Schützen mit Rassismus und Nationalismus überhaupt nichts zu tun haben. Die Schützen sind Patrioten, die ihr Vaterland lieben, aber keine anderen verachten. So kommt es auch im Schlusswort der Festansprache des Vorsitzenden Albert Katz zum Ausdruck:
„Unser Dörfchen Littfeld, der Littfelder Schützenverein und seine Gründer, sowie unser liebes, deutsches Vaterland, sie sollen leben Hoch, Hoch, Hoch!“

1927

Dieses Jahr verdient besondere Beachtung in der Vereinsgeschichte, weil damals der erste Schritt zu einer bleibenden Heimstätte für den Verein und damit für alle späteren Erfolge getan wurde.
Das Schießen im Kampen der Gastwirtschaft Kolb wurde behördlich verboten. Die sich ständig ausdehnende Ortsbebauung hatte nämlich die bei der Vereinsgründung vor 60 Jahren noch weit alleinstehende Wirtschaft bis auf etwa 50 m erreicht.
Die Haubergsgenossenschaft Littfeld stellte den Schützen ein Gelände in der Limbach pachtweise zur Verfügung.

 

Obwohl wegen der Stilllegung der Littfelder Gruben im selben Jahr unter den über 100 Vereinsmitgliedern wieder Geldknappheit war, errichtete man das erste Schützenheim
(6 x 6 m). Jetzt quadratischer Mittelpunkt des modernen Gebäudekomplexes.

Kurze Zeit später baute man noch eine kleine Küche an. Heute im Schankraum aufgegangen.
100 m, 175 m und 300 m Schießstände wurden errichtet. Die Schießscheiben wurden über den jeweiligen Erdbunkern angebracht, aus denen heraus man die Treffer feststellen und anzeigen konnte.
Die Littfelder Schützen hatten nun endlich ein geeignetes Trainingsgelände und das ruhmreiche Trio Heinrich Franz, Albert Mankel und August Solbach eröffneten auf zahlreichen Landesschießen die Tradition der Littfelder Sportschützenasse.

1933

Für den Littfelder Schützenverein begann die Nazizeit mit einem Paukenschlag. Der Vorsitzende, Albert Katz legte sein Amt 1933 nieder, weil er sich dem Zwang des NS-Regimes durch ein neues Vereinsführungsprinzip und einer neuen Einheitssatzung nicht unterwerfen wollte.
Dem neuen Vorstand unter dem Vorsitz von Albert Mankel gelang es, das Vereinsleben trotz Schwierigkeiten bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges in Gang zu halten.Im Olympiajahr 1936 gewann die Littfelder Schützenmannschaft Franz, Mankel, Solbach nach dem 3. Sieg in Folge endgültig die Schützenkette des Gaues Sieg-Heller-Dill.

 

Königsbild 1933

SM König Fritz Wetter am Schießstand in der Limbach v.l. Fritz Schmitt, Änne Höniger, Helmut Groos, Fritz Wetter, Wilhelm Schumacher (Reichsarbeitsdienst), Ida Hambloch, Walter Dreisbach; hinten Karl Stähler, Helene Kiel, Otto Walter

 

Amtlicher Schriftverkehr 1936

 

Königsbild 1939

SM König Otto Nothacker und IM Königin Emilie mit Hofstaat in der Limbach

1940 - 1951

Die Möglichkeiten des Vorsitzenden Albert Jünger waren in dieser Zeit fast völlig eingeschränkt.
In der Zeit des 2. Weltkrieges kam das Vereinsleben zum Erliegen. Die einzige Aktivität war das Versenden von Feldpostpäckchen an die an allen Fronten stehenden Schützenkameraden.
Am 09.04.1945 wurde Littfeld von amerikanischen Truppen erobert, und schon am nächsten Tag sperrte die Militärregierung das Sparguthaben des Vereins.
Die Vereinswaffen wurden eingezogen. In völliger Verkennung des volkstümlichen Schützenwesens sprengten die Amis sogar die Zielbunker. In das Schützenheim wurde eine im Ruhrgebiet ausgebombte Familie einquartiert.

1950

Die 1. Schützenversammlung nach dem 2. Weltkrieg bewirkte sozusagen die Wiederauferstehung des ältesten Ortsvereins. Die Beschlüsse vom 01.03.1950 hatten eine neue Vereinssatzung, die Eintragung des „Littfelder Schützenvereins“ und die Rückgabe des Vereinsvermögens zur Folge.
In wenigen Monaten stieg die Mitgliederzahl wieder auf 100 bei damals etwa 1800 Dorfbewohnern.